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Der Übertritt zur anderen Religion

Selbstverständlich lassen sich keine allgemein verbindlichen Gesetzmäßigkeiten beobachten. Die Gründe für die einzelnen Übertritte sind so verschieden, wie die Hintergründe und Lebensumstände jedes einzelnen Konvertiten. Oft spielen Emotionen eine große Rolle – tiefempfundene Enttäuschungen über und in der eigenen Religionsgemeinschaft, aber auch Hoffnungen, Eheschließungen und die Suche nach dem Sinn des Lebens, den besonders die sinnentleerte westliche Gesellschaft kaum noch vermitteln kann.

Bei näherer Analyse einzelner „Bekehrungserlebnisse“ lassen sich einige Faktoren benennen, die für den Umgang mit Konvertiten wichtiges Hintergrundwissen bieten. Für diese Studie zur Untersuchung der Beweggründe zu einem Religionswechsel wurden 20 Konvertiten interviewt und die Ergebnisse analysiert. Es wurde auf ein Gleichgewicht in der Religionszugehörigkeit geachtet, d. h. 10 Konvertiten waren vom Islam zum Christentum übergetreten und 10 Konvertiten vom Christentum zum Islam. Dabei wurden grundsätzlich fünf verschiedene Beweggründe festgestellt, die dazu beitrugen, dass schließlich ein Religionswechsel stattfand. Bei jedem Konvertit war mehr als ein Bekehrungsgrund im Spiel; es waren jeweils zwei bis vier verschiedene Gründe. Folgende fünf Beweggründe wurden für den Religionswechsel genannt:

1. Religiöse Motive:

Durch vermehrtes Wissen über die neue Religion fühlte sich der Interessent zum aktiven Übertritt bewogen. Nicht selten war eine Person bereits zuvor zur eigenen Religion auf Distanz gegangen, hatte sie nicht mehr nachvollziehen können und sie daher in Frage gestellt. Die Folge davon war die Suche nach einer neuen, alternativen Religion. Man könnte vereinfachend sagen, dass ein Religionswechsel stattfand, weil die bisherige Religion nicht mehr verstanden und gedanklich nachvollzogen wurde und gleichzeitig eine neue Religion attraktiver erschien.

2. Übernatürliche Erfahrungen:

In diese Kategorie von Motiven zum Religionswechsel gehören Träume, Visionen und übernatürliche Erscheinungen, die einige Konvertiten als unmittelbaren Anstoß zum Religionswechsel benannten. Solche Erlebnisse können dazu beitragen, dass sich ein Mensch für eine neue Religion interessiert und schließlich eine Entscheidung fällt. Einige Konvertiten deuteten an, dass diese übernatürlichen Erfahrungen bei der Bekehrung eine maßgebliche Rolle spielten und dass ohne diese Offenbarungen kein Religionswechsel stattgefunden hätte.

3. Menschliche Zuneigung:

Der zwischenmenschliche Bereich spielt beim Religionswechsel eine nicht zu unterschätzende Rolle. Eine besondere Beziehung zwischen zwei Menschen kann wesentlich und aktiv zu einer Bekehrung beitragen. Diese Person, mit der der Konvertit besonders verbunden ist, kann ein Freund, ein Verwandter oder ein Mitglied der eigenen Familie sein. Wenn es sich um eine Person des anderen Geschlechts handelt, ist damit oftmals eine engere Beziehung oder sogar eine Heirat verbunden. Nicht selten wechselt eine Person in erster Linie ihre Religion, weil die Liebe zum Partner sie dazu bewogen hat. Der Partner wird oft in seiner Religionsausübung als Vorbild betrachtet.

Andererseits kann diese Vorbildfunktion jedoch auch unter negativen Vorzeichen stehen, und zwar dann, wenn das Vorbild des Freundes oder Ehepartners so abschreckend wirkt, dass der Partner sich einer neuen Religion zuwendet. Diese Entwicklung geht oftmals mit einer Scheidung Hand in Hand.

4. Soziale oder politische Beweggründe:

Auch aus Gründen der gesellschaftlichen Anerkennung oder der politischen Opportunität wechseln Menschen ihre Religion. Diese Gründe mögen nicht in allen Ländern gleich stark zum Tragen kommen, auf dem afrikanischen Kontinent jedoch spielen sie eine große Rolle. So hat die politische Atmosphäre während der Apartheid z. B. in Südafrika viele schwarze Christen dazu bewogen, eine andere Religion, wie zum Beispiel den Islam anzunehmen. Der Grund dafür lag darin, dass vielerorts die weiße Regierung ihre Unterdrückung der farbigen Bevölkerung aus der Bibel zu rechtfertigen suchte.

Es ist zudem eine unbestreitbare Tatsache, dass durch humanitäre Hilfeleistungen – sei es seitens der Muslime oder Christen – Menschen zum Übertritt zu einer anderen Religion bewogen werden. Es geht dabei um die Sympathiegewinnung der Unterstützer und die Möglichkeit, weitere soziale Hilfe zu erlangen, wie z. B. den Zugang zu medizinischer Versorgung.

5. Materielle Hilfeleistungen:

Viele Arme, vor allem in den Ländern der sogenannten Zweidrittelwelt, leben in so großer Not, dass sie bereit sind, alles zu tun, um dieser Not zu entfliehen. Sollte ein Religionswechsel dazu beitragen, dass Hilfe erlangt werden kann, liegt eine Konversion sehr nahe. Materielle Hilfe kann in Form von Nahrung, Kleidung, Zugang zu Trinkwasser oder Schulbildung gewährt werden. Auch die Aussicht auf einen Arbeitsplatz kann zu einem Religionswechsel motivieren. Manchmal wird dies vom Arbeitgeber gewünscht, in einigen Fällen ist ein Religionswechsel sogar zwingend vorgeschrieben.

Die Analyse der einzelnen Bekehrungen lässt einige interessante Schlüsse zu:

Von den 20 Konvertiten erwähnten 18, dass religiöse Motive (1+2) eine wesentlich Rolle bei ihrem Religionswechsel gespielt haben. Dasselbe gilt für den Beweggrund der menschlichen Zuneigung (3): Ebenfalls 18 von 20 Konvertiten erwähnten zwischenmenschliche Beziehungen als Beweggrund für ihren Übertritt zu einer neuen Religion. Diese Beobachtung gilt im selben Maß für Konvertiten zum Islam als auch für Konvertiten zum christlichen Glauben, also für Konversionen in beide Richtungen. Diese beiden Motive tragen also am stärksten zu einem Religionswechsel bei.

Obwohl die übrigen Motive auch genannt werden, sind sie doch im Verhältnis als weniger wichtig zu bewerten. Man kann deshalb die vorsichtige Aussage wagen, dass heutzutage Muslime und Christen die jeweils andere Religion bewusst wahrnehmen und sich aus der Beobachtung heraus Motive zu Bekehrungen ergeben.

Darüber hinaus spielen zwischenmenschliche Beziehungen beim Wechsel der Religion eine überaus wichtige Rolle. Wenn man die Ergebnisse dieser Analyse ernstnimmt, kann das persönliche Zeugnis eines Menschen und sein Lebensstil, der stets als Vorbild wirkt, kaum überbewertet werden!